Dienstag, 4. März 2014

Altersdiskriminierung - typisch deutsch?

Wer in der Straßenbahn oder im Bus einen Platz angeboten bekommt, weil er älter ist, nimmt diese Geste vermutlich dankend an und erkennt darin vielleicht etwas wohlerzogenes und höfliches. Doch das ist nur ein kleiner Trost im Hinblick auf den Alltag in einer Gesellschaft, in der Menschen wegen ihres Alters benachteiligt werden. Die immer wieder zu Tage tretenden Fälle von Diskriminierung aufgrund von Lebensjahren, empörten eine Kölner Journalistin schließlich so sehr, dass sie, zusammen mit anderen,  schon 1999 das  „Büro gegen Altersdiskriminierung“ gründete. Mittlerweile ist das Ganze zwar nicht mehr ein Verein, sondern eine Initiative, aber es ist immer noch dieselbe Journalistin, Hanne Schweitzer, die sich für Gerechtigkeit gegenüber älteren Menschen in vielen Bereichen einsetzt.

Schweitzer hält die Altersdiskriminierung sogar für etwas typisch deutsches: „weil hier besonders oft Chancen, Leistungen, Lebensbedingungen und der Zugang zu Waren und Dienstleistungen an das Alter gekoppelt werden. Das ist in anderen Ländern nicht so stark“, sagt sie. Ein Dorn im Auge sind ihr die privaten Versicherungen, bei denen die Prämienhöhe immer häufiger vom Lebensalter abhängt: KFZ- Versicherungen etwa, bei denen bekanntermaßen unter 24-jährige, begründet durch die hohe Unfallwahrscheinlichkeit, mehr bezahlen müssen, aber auch die über 60-jährigen einen höheren Beitrag leisten, ganz ohne Unfall und ohne nachweisliche Statistiken. Besonders im Bereich der Versicherungswirtschaft kämpft Hanne Schweitzer gerade für  das Offenlegen von entsprechenden und damit nachweisbaren Unfallstatistiken, die höhere Prämien rechtfertigen.

Doch die Hauptarbeit des „Büros für Altersdiskriminierung“ besteht darin, alltägliche Fälle von altersbedingter Benachteilung zu publizieren, um die Gesellschaft langsam zum umdenken zu bewegen. „Die Menschen sollen merken: Ich bin nicht alleine mit meinem Problem.“ Obwohl 2006 das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, kurz das AGG, in Deutschland eingeführt wurde, haben Schweitzer und die anderen ehrenamtlichen Mitarbeiter auch immer noch mit Diskriminierungsfällen im Arbeitsbereich zu tun. „Wir erhalten Faxe, Mails, Anrufe, die belegen, dass Arbeitsuchende eigentlich nie das richtige Alter haben: Leute über 50 schreiben 300 Bewerbungen ohne Erfolg.“ Und es ist kein Geheimnis, dass es für über 60-jährige fast unmöglich ist, noch einmal den Job zu wechseln, geschweige denn überhaupt noch mal Arbeit zu finden.

Die kämpferische Journalistin Schweitzer würde gerne mehr als nur eine Vorschrift des AGG streichen oder ändern: „Ich würde § 10 Absatz 5 AGG streichen. Er betoniert das Zwangsrentenalter. Arbeitnehmer sollen selbst entscheiden, wann sie in Rente gehen wollen. Selbständige können das schließlich auch!“ Und hier scheint Hanne Schweitzers Vermutung vom „typisch Deutschen“ im Umgang mit Alter ins Schwarze zu treffen: In einigen anderen europäischen Ländern gibt es diese Regelung in dieser „betonierten“ Form nicht:  In den USA etwa wurde das Zwangsrentenalter schon 1984 abgeschafft und auch in Australien gibt es keinen geregelten Zwang, den Beruf niederzulegen.

Bis ältere Menschen  in der Gesellschaft nicht mehr benachteiligt werden, wird es wahrscheinlich noch etliche verkrustete Regelungen und Gedanken zum Thema Alter aufzubrechen geben. Hanne Schweitzer und die anderen ehrenamtlichen Mitarbeiter arbeiten im Kölner Büro täglich an diesem Ziel. Sie beraten selbst übrigens nicht, leiten aber jeden, der sich aufgrund seines Alters diskriminiert fühlt, an die entsprechende Stelle weiter, z.B. die Antidiskriminierungsstelle des Bundes oder andere Initiativen.

Weitere Informationen unter: http://www.antidiskriminierungsstelle.de/DE/Home/home_node.html
(pt)

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